Ökumenischer Kirchentag in Wesel

Sehens-werte Orte in Wesel | Station 2

Lippemündungsraum

Zugang von der Parkmöglichkeit am Gelände des Hundesportvereins Wesel, Büdericher Insel, Hülskensweg, 46483 Wesel oder vom Parkplatz Hülskensweg, 46562 Voerde

Ich kenne keine zweite Stelle in Wesel, an der sich Natur und Industrieansiedlungen in solch krasser Form stoßen wie im Lippemündungsraum. Hier hat man während des Spaziergangs deutlich vor Augen, wie ein Naturschutzgebiet von Norden und von Süden durch ein Straßenbauprojekt und alte und neu entstehende Industrieansiedlungen „in die Zange“ genommen wird. Und man kann etwas darüber lernen, wie komplex der Ausgleich von wirtschaftlichen Interessen und Belangen des Naturschutzes ist – wenn er denn überhaupt je gelingt.

Vor dem Jahr 2000 mündete die Lippe als kanalisierter Fluss in den Rhein. Lebensmöglichkeiten für seltene Tiere und Pflanzen bot sie kaum. Im Zuge der Planungen für die Südumgehung der Stadt Wesel entstand die Idee, die neue Straße durch das alte Lippebett zu führen, weil es sonst kaum Raum für sie gab. Als Ausgleichmaßnahme für diesen erheblichen Eingriff in die Natur wurde ab 2009 ein neues Lippebett modelliert, das einer naturnahen Flussaue entsprach.

Was ursprünglich anmutet und eben auch ursprünglichen Verhältnissen entspricht, ist also neu und menschengemacht.

In den vergangenen Jahren entwickelte sich dieses Gebiet mit seinen Sand- und Überflutungsflächen, mit den Weichholzauen und Wiesen prächtig. Die Radfahrer und Fußgänger, die den Weg um dieses Naturschutzgebiet nutzen, beobachten begeistert, welche Tiere und Pflanzen sich dort niederlassen. Mittlerweile werden hier knapp 60 Brutvogelarten gezählt, davon etwa 20, die in der Roten Liste der gefährdeten Arten verzeichnet sind. Ich freue mich im Frühjahr am Singen der Lerche und war begeistert, als vor drei Wintern hier zum ersten Mal ganz von nah das Seeadlerpaar sah, das auf der Bislicher Insel zu Hause ist. In diesem Jahr hat sich überdies ein Storchenpaar neu im Lippedorf angesiedelt.

Als regelmäßiger Besucher des Lippemündungsraum sehe ich in den letzten Wochen mit Traurigkeit, wie Flächen für weitere Logistikansiedlungen im Rahmen des Deltaports aus dem Naturareal herausgeschnitten werden. Ich wusste, dass das kommen wird – und gleichzeitig lässt es mich nicht gleichgültig.

Schaut hin

Wenn ich durch den Lippemündungsraum laufe, stellt sich mir unübersehbar die Frage: Welche Auswirkungen hat mein Lebensstil auf die direkte Umgebung, in der ich lebe? Ich nutze ein Auto (wenn auch so wenig wie möglich) und in Zukunft sicher auch die neue Umgehungsstraße; ich habe teil an den Gütern, die hier umgeschlagen werden. Ich verstehe eine Stadt, die Gewerbesteuer einnehmen und Arbeitsplätze schaffen will. Und ich spüre gleichzeitig ganz deutlich, was dabei verloren geht.

Christ sein heißt auch: Sich kundig machen, sich positionieren, Einfluss nehmen auf politische Entscheidungen, sich dem zähen Kampf der Interessengegensätze zu stellen. Schaut hin, was passiert – und lasst es nicht einfach geschehen, sondern gestaltet den Wandel mit.

Ich bekomme hier aber auch vor Augen geführt, wie dynamisch sich ein Lebensraum verändern kann. Biologen sprechen von der Störungsökologie, davon, wie Herausforderungen und Eingriffe von außen neue Entwicklungen anstoßen. So ist in manchen Städten der Artenreichtum der Brutvögel größer als in vergleichbar großen Räumen auf dem Land.

Ich frage mich, wie ich mich auf „Störungen“ einstelle. Auch mein Leben ist ja nicht einfach ein „Idyll“. Immer wieder kommt mir etwas oder jemand in die Quere.

Raphael Günther

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